Wer so erdrückende Schulden hat, dass er sie in seinem Leben nicht mehr zurückzahlen kann, hat die Möglichkeit auf ein Privatinsolvenzverfahren. Läuft alles gut, steht die Restschuldbefreiung am Ende des Insolvenzverfahrens: Ab diesem Zeitpunkt sind alle Schulden erledigt.
Was ist eine Restschuldbefreiung?
Die Restschuldbefreiung wurde 1999 im Zuge der Insolvenzrechtsreform eingeführt und bietet natürlichen Personen die Möglichkeit, von sämtlichen bis dahin nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit zu werden. Das geschieht entweder im Rahmen eines Insolvenzplanes oder – ohne einen solchen – nach sechs Jahren Wohlverhalten. Damit können beispielsweise ehemalige Selbstständige, die mit ihrem gesamten Vermögen persönlich für ihre Tätigkeit haften mussten und anschließend hoch verschuldet sind, auf einen schuldenfreien Neustart hoffen. Grund für die Einführung der Restschuldbefreiung war die Gleichbehandlung: Während eine Kapitalgesellschaft nach der Insolvenz aufgelöst wurde und die Gläubiger kein Geld mehr bekamen, blieb diese Möglichkeit bis dahin anderen Schuldnern verwehrt. Sie mussten lebenslänglich an die Gläubiger zahlen.
Voraussetzungen für die Restschuldbefreiung
Zu den wesentlichen Voraussetzungen für die Restschuldbefreiung gehört, dass ein Teil der Schulden bezahlt wird. Wird ein Insolvenzantrag gestellt, wird auch ein Schuldenbereinigungsplan aufgestellt. In diesem ist festgehalten, wie viel Geld in der Insolvenzphase an den Treuhänder übergeben wird. Von diesem bekommen die Gläubiger ihr Geld, sodass die Schulden peu à peu weniger werden. Allerdings steht die Restschuldbefreiung nur sogenannten redlichen Schuldnern offen, unredlichen wird sie versagt.
Ab wann kann eine Restschuldbefreiung beantragt werden?
Laut § 287 Abs. 1 InsO muss der Schuldner selbst den Antrag auf Eröffnung der Insolvenz stellen, wenn er von der Restschuldbefreiung profitieren möchte. Stellen dagegen die Gläubiger einen sogenannten Fremdantrag auf Insolvenz, kann der Schuldner nicht mit einer Restschuldbefreiung rechnen. Damit der Schuldner trotzdem Gelegenheit zur Restschuldbefreiung bekommt, bestimmt der § 20 Abs. 2 InsO, dass das Gericht im Fall des berechtigten Fremdantrages darauf hinweist, dass die Restschuldbefreiung nach §§ 286 bis 303 InsO möglich ist.
Wer bekommt eine Restschuldbefreiung?
Prinzipiell kann jeder, der ein Insolvenzverfahren eröffnet, auch eine Restschuldbefreiung erhalten. Allerdings nur dann, wenn bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Antrag dafür gestellt wurde. Grundsätzlich gibt es hinsichtlich der Schuldenhöhe, des Alters des Schuldners oder dessen beruflicher Situation keine Vorschriften. Wer sich die gesamte Periode des Wohlverhaltens keinen Verstoß gegen die Vorschriften zuschulden kommen lässt, dem gewährt das Gericht per Beschluss die Restschuldbefreiung. Von diesem Moment dürfen die Forderungen von Gläubigern nicht mehr vollstreckt werden und der Schuldner ist von Regressansprüchen frei.
Der Ablauf der Restschuldbefreiung
- Zuerst muss das Insolvenzverfahren eröffnet werden. Damit ist – ebenso wie in der Wohlverhaltensperiode – den Gläubigern die einzelne Zwangsvollstreckung untersagt.
- Das Insolvenzgericht bestellt einen Treuhänder.
- Dieser verwaltet, verwertet und verteilt das Vermögen des Schuldners, bedient vorrangig die Kosten des Verfahrens und nachrangig sämtliche Forderungen der Gläubiger.
- Ist das Vermögen verwertet und verteilt, ist das eigentliche Insolvenzverfahren beendet.
- Anschließend beginnt die sogenannte Wohlverhaltensperiode, an deren Ende die Restschuldbefreiung möglich ist.
Formalitäten der Restschuldbefreiung
Wie wird die Restschuldbefreiung beantragt?
Beim zuständigen Gericht muss der Schuldner gleichzeitig mit dem Antrag auf Insolvenz selbst den Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Ist das Insolvenzverfahren beendet, beginnt das Restschuldbefreiungsverfahren. Während dieser Zeit muss sich der Schuldner entsprechend wohl verhalten. Erst in der abschließenden Sitzung dieses Verfahrens beschließt das Gericht, ob für den Schuldner die Restschuldbefreiung gilt – oder ob sie versagt wird.
Sofortige Restschuldbefreiung
Hat kein Gläubiger bei Gericht eine Forderung angemeldet oder sind nach Abschluss des Insolvenzverfahrens sowohl die Verfahrenskosten als auch sämtliche Forderungen der Gläubiger befriedigt, kann das Gericht seit dem 1. Juli 2014 die sofortige Restschuldbefreiung erteilen, wenn das vom Schuldner beantragt wurde. (§ 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO)
Restschuldbefreiung nach fünf Jahren
Hat der Schuldner sämtliche Kosten des Verfahrens bezahlt, kann fünf Jahre nach dem Beginn des Insolvenzverfahrens auf Antrag die Restschuldbefreiung vom Gericht erteilt werden. (§ 300 Abs. 1 Nr. 3 InsO)
Vorzeitige Verfahrensaufhebung und Restschuldbefreiung
Haben alle Gläubiger schriftlich vor Gericht ihr Einverständnis dazu erklärt, kann das Insolvenzverfahren nach § 213 InsO vorzeitig beendet werden. Dabei muss nicht nachgewiesen werden, dass deren Forderungen befriedigt wurden. Allerdings muss der Insolvenzverwalter die Massenansprüche und die Verfahrenskosten berichtigen und nach § 214 Abs. 3 InsO für die Massenansprüche entsprechende Sicherheiten nachweisen. Laut Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 29. September 2011 (Az IX ZB 219/10) kann auch bei einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens Restschuldbefreiung gewährt werden, wenn der Schuldner dafür den entsprechenden Antrag stellt.
(§ 213 InsO)
Pflichten und Versagungsgründe der Restschuldbefreiung
Damit das Gericht dem Schuldner die Befreiung gewährt, muss sich dieser in der Wohlverhaltensperiode bewähren. Bis auf den nicht pfändbaren Teil des Einkommens hat er sämtliche Einkünfte an den Treuhänder abzugeben, damit dieser die Forderungen der Gläubiger befriedigen kann. Ist der Schuldner in dieser Zeit selbständig tätig, wird nicht der tatsächlich erzielte Gewinn als Berechnungsgrundlage herangezogen, sondern der Verdienst, den er in einem regulären Arbeitsverhältnis – in Abhängigkeit von seiner Ausbildung – erhalten würde. Während der maximal sechs Jahre dauernden Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner versuchen, wenigstens einen Teil der Schulden zu bezahlen.
Die Pflichten des Schuldners:
- Er muss sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen oder diese ausführen. Wer einer Beschäftigung nachgeht, darf nicht einfach kündigen. Auch wer selbstständig ist, muss weiter arbeiten.
- Er muss dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder mitteilen, wenn er einer neuen Beschäftigung nachgeht und wenn er seinen Wohnort wechselt.
- Er muss sowohl dem Insolvenzgericht als auch dem Treuhänder mitteilen, wenn er aufgrund besonderer Umstände zu Geld kommt oder weniger Geld als vorher hat.
- Nur der Treuhänder darf den Gläubigern Geld zukommen lassen.
- Erbt der Schuldner in dieser Zeit, muss er die Hälfte der Erbschaft an den Treuhänder aushändigen.
Die Versagensgründe für eine Restschuldbefreiung
Laut § 290 InsO bekommt der Schuldner keine Restschuldbefreiung, wenn:
- er rechtskräftig wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt wurde.
- er sich öffentliche Zuschüsse, öffentliche Mittel oder Kredite rechtswidrig erschlichen hat.
- er sein Geld verschwendet hat.
- er falsche Angaben gemacht hat und damit seine Pflichten zur Mitwirkung und Auskunft verletzt hat.
- er in den vergangenen zehn Jahren bereits eine Restschuldbefreiung erlangt hat.
- ihm die Erteilung einer Restschuldbefreiung in den vergangenen zehn Jahren nach § 296 oder § 297 InsO versagt wurde.
Die Restschuldbefreiung und die Steuerschulden
Hat der Schuldner beim Finanzamt Schulden, weil er die Steuern nicht bezahlen konnte, werden diese wie alle anderen Schulden behandelt. Die Restschuldbefreiung gilt damit auch bei Steuerschulden. Das gilt für sämtliche Steuerarten, beispielsweise Lohn- und Einkommenssteuern, aber auch nicht gezahlte Umsatzsteuern. Wurde der Schuldner wegen einer Steuerstraftat verurteilt, beispielsweise wegen Steuerhinterziehung, ist das kein Hindernis für eine Restschuldbefreiung. Zwar muss die dafür fällige Strafe bezahlt werden, doch für die nicht bezahlten Steuern gilt das nicht.
Auch im Insolvenzverfahren und in der Wohlverhaltensperiode müssen die fälligen Steuererklärungen erstellt und beim Finanzamt eingereicht werden. Kommt es in dieser Zeit zu Rückerstattungen, behält diese in der Zeit des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter. Während der Wohlverhaltensperiode bekommt sie der Schuldner, sollte jedoch dem Insolvenzverwalter davon Mitteilung machen. Sind noch Schulden beim Finanzamt offen, darf dieses in der Wohlverhaltensperiode etwaige Erstattungen einbehalten und mit den Schulden verrechnen.
Wird die Restschuldbefreiung versagt, bleiben die Schulden erhalten und müssen langsam abgezahlt werden. Da die Zinsen für Kredite günstig sind, könnte ein Kleinkredit über die erste Zeit hinweghelfen: Mit diesem lassen sich noch offene Schulden ablösen. Da sowohl Privatinsolvenz als auch Restschuldbefreiung bei der SCHUFA gespeichert werden, ist ein neuer Kredit erst möglich, wenn der Vermerk drei Jahre nach der Restschuldbefreiung gelöscht wird. Wer die Privatinsolvenz noch umgehen kann, sollte verschiedene Möglichkeiten der Schuldentilgung in Erwägung ziehen. Eine Zwangsvollstreckung kann in vielen Fällen vermieden werden.Keine Restschuldbefreiung möglich?